Die juristische Behandlung von Computerprogrammen ist nach wie vor nicht endgültig geklärt, und zwar auf allen Rechtsgebieten. Sogar im Urheber- und Patentrecht, in denen Computerprogramme immerhin ausdrücklich in den Gesetzen genannt sind, mehren sich die Stimmen, die den Schutz von Programmen durch das Urheberrechtsgesetz (UrhG) für unpraktikabel und unpassend und auf der anderen Seite die ausdrückliche Ausnahme von Computerprogrammen "als solchen" aus dem Patentschutz für verfehlt erachten. Während sich dies im Urheberrecht in Urteilen ausdrückt, die den begehrten Schutz von Programmen an der Nichtfeststellbarkeit der erforderlichen schöpferischen Gestaltungshöhe scheitern lassen (lesenswert: OLG Hamm v.27.4.89, Aktenzeichen 4 U 196/86, in Computer und Recht 1989 S.592), stellt das Bundespatentgericht (BPatG) zu Recht auf die Eigenschaft von Programmen als technisches Steuerungsmittel maschineller Vorgänge ab (BPatG v.25.7.88, Aktenzeichen 19 W (pat) 93/87, Computer und Recht 1989 S.377).
Während im Steuerrecht der Bundesfinanzhof (BFH) nunmehr alle Computerprogramme und sogar maschinenlesbare Datensammlungen als immaterielle Wirtschaftsgüter ansieht - letztere wegen der Möglichkeit des einfachen Sortierens und Änderns - (BFH v.2.9.88, Aktenzeichen III R 38/84, Bundessteuerblatt 1989 Teil II S.160), zeigt sich im Zivilrecht erfreulicherweise die - entgegengesetzte - Tendenz, Computerprogramme als körperliche Gegenstände und damit Sachen iSd § 90 BGB zu qualifizieren. Obwohl diese Auffassung erst seit relativ kurzer Zeit in der juristischen Literatur diskutiert wird, ist sie doch nicht neu, denn schon 1985 hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einer bedauerlicherweise weithin unbekannt gebliebenen - oder ignorierten ? - Entscheidung festgestellt, daß Datenverarbeitungsprogramme in jeder Form Verkörperungen der geistigen Leistung und damit Sachen darstellten, die in vervielfältigter Form Gegenstand des Handelsverkehr sein könnten, und auf deren unmittelbaren körperlichen Besitz es dem Erwerber auch für die Benutzung ankomme. Auf die besondere warenzeichenrechtliche Problematik dieser Entscheidung - zu beurteilen war, ob Computerprogramme Waren iSd Warenzeichengesetz darstellen - kann hier nicht weiter eingegangen werden (BGH v.2.5.85, Aktenzeichen I ZB 8/84, GRUR 1985 S.1055). In einer neueren Entscheidung hat sich der BGH bei "verkaufsweiser" Programmüberlassung für die Anwendung des Kaufvertragsrechts (§§ 433ff BGB) und zumindest entsprechender Anwendung des Sachmängelgewährleistungsrechts (§§ 459ff BGB) ausgesprochen, wobei er den Kaufgegenstand als einen "Datenträger mit dem darin verkörperten Programm, insofern also eine körperliche Sache" unter Bezugnahme auf die vorerwähnte Entscheidung aus dem Jahre 1985 bezeichnete (BGH v.4.11.87, Aktenzeichen ZR 314/86, Neue Juristische Wochenschrift 1988 S.406). Infolge des "insofern" bleibt die Qualifizierung von Programmen als Sachen freilich hinter der in dieser Entscheidung zurück.
Diese Rechtsprechung findet bei der Gestaltung von Verträgen allerdings kaum
Berücksichtigung, denn nach wie vor wird die von einem führenden EDV-Unternehmen
begründete Terminologie der "Lizenzierung von Nutzungsrechten" verwendet und munter
Vertragsgestaltungen geschaffen, die der Sacheigenschaft von Programmen nicht Rechnung
tragen. Die Behandlung von Computerprogramme als "immaterielle Güter" ist natürlich für die
Software-Industrie von Vorteil, können doch hierbei dem Anwender vertragliche Regelungen
aufgezwungen werden, die bei Annahme eines Sachkaufs schlichtweg unwirksam wären.
Zugleich erfolgt jedoch auch eine Indoktrination des Anwenders, denn der Verfasser hat schon
erlebt, daß diese bei Vertragsentwürfen hinsichtlich des Erwerbs von Computerprogrammen
das Fehlen "üblicher" Lizenzregelungen beanstandeten.
Dabei darf die Bedeutung der Qualifizierung von Computerprogrammen als Sachen nicht
unterschätzt werden: Sämtliche das Vorliegen von Sachen voraussetzende gesetzlichen
Regelungen wären bzw. sind anwendbar. Als Beispiel seien nur die Regeln des
Sachmängelgewährleistungsrechts genannt, die unmittelbar Anwendung finden, ohne daß die
Angemessenheit der betreffenden Regeln im Einzelfall gerichtlich geprüft und festgestellt
werden müßte. Dies kann z.B. für die Frage der Verjährung der Gewährleistungsvorschriften -
6 Monate - oder die Relevanz der von Programmherstellern oft verwendete Ausrede,
Computerprogramme könnten eo ipso nicht fehlerfrei sein, erheblicher Bedeutung haben.
Ein neues, nicht rechtskräftiges und damit dem BGH zur endgültigen Entscheidung vorliegendes Urteil des OLG Stuttgart (OLG Stuttgart v.8.11.88, Aktenzeichen 6 U 135/87, Computer und Recht 1989 S.692) kann hier einen Durchbruch bewirken; es bedarf keiner großartigen prophetischen Begabung um es für wahrscheinlich zu halten, daß der BGH in Fortführung seiner neueren Rechtsprechung die Entscheidung des OLG Stuttgart bestätigen wird.
Der dem Urteil zugrundeliegende Sachverhalt ist einfach:
A erwarb von B ein Lohnbuchhaltungsprogramm. Die Lieferung erfolgte nicht durch
Übersendung bzw. Übergabe einer Diskette, sondern indem B eine Festplatte mit dem
betreffenden Programm zu A brachte, dort das Programm - wohl nach vorübergehendem
Einbau seiner Festplatte - auf die Festplatte des A überspielte und seine Festplatte wieder
mitnahm. Die "Nutzungsgebühr" von DM 18.000,- sollte zur Zahlungserleichterung in 36
Monatsraten gezahlt werden. Eine Belehrung über ein Widerrufsrecht erfolgte nicht.
Da A wegen angeblicher Programmängel nach drei Raten die Zahlungen einstellte und den
Widerruf erklärte, machte B u.a. die restlichen Raten klageweise geltend.
Das erstinstanzlich entscheidende Landgericht gab der Klage wegen Verjährung etwaiger
Gewährleistungsansprüche und Nichtanwendbarkeit des Abzahlungsgesetzes
mangels Vorliegens einer beweglichen Sache im wesentlichen statt. Die Berufung des A hatte - soweit
es hier interessiert, nämlich hinsichtlich der Anwendbarkeit des Abzahlungsgesetzes - Erfolg.
Das OLG Stuttgart hat zunächst festgestellt, daß ein Kaufvertrag vorlag, denn A sollte das Programm nach vollständiger Zahlung der "Nutzungsgebühr", die nicht zur Abgeltung von Nutzungsperioden diente, behalten dürfen. Dies entspricht sowohl der vorerwähnten Auffassung des BGH als auch der mittlerweile wohl einhelligen instanzgerichtlichen Rechtsprechung.
Da auch eine Teilzahlungsabrede vorlag, kam es entscheidend darauf an, ob hier eine
bewegliche Sachen übergeben wurde. Diese Frage beinhaltet zugleich zwei Probleme, nämlich
das der Sacheigenschaft von Programmen und die Frage, ob sich das Kopieren eines
Programms mit der Übergabe einer Sache vergleichen läßt.
Das OLG stellte mit anerkennenswerter Souveränität, die darauf schließen läßt, daß die
erkennenden Richter ihr Wissen nicht aus dritter Hand, nämlich aus technisch meist
unzutreffenden Fachaufsätzen von Juristen, sondern durch eigene, praktische Beschäftigung mit
der Materie gewonnen haben, fest, daß Software eine "höchst bewegliche" Sache darstelle,
wobei es nicht darauf ankommen soll, "ob nach rein physikalischer Sicht die Magnetisierung
selbst - also das eigentliche Programm - körperlich" sei, sondern maßgeblich das praktische
Verständnis von Programmen als einer Sache sei.
Auch wenn das OLG seine Entscheidung nicht unmittelbar darauf gestützt hat, kann man die -
für einen Techniker freilich banale - Feststellung, daß das Programm aus der Magnetisierung
besteht und damit körperlich ist, nicht hoch genug bewerten, wird doch in der juristischen
Literatur die Bedeutung der Verkörperung regelmäßig verkannt und nur als
"Transportmedium" o.ä. des "immateriellen Gutes" und damit als unbeachtlich abqualifiziert.
Hinsichtlich der hier vorliegenden besonderen Form der Übergabe stellt das OLG auf den Sinn
und Zweck des Abzahlungsgesetzes ab; da nur unbewegliche Sachen und Rechte hiervon nicht
erfaßt werden sollen, könne es unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks des
Abzahlungsgesetzes keinen Unterschied machen, ob das Programm auf Diskette geliefert und
dann auf Festplatte kopiert wird, oder ob dies ohne Lieferung eines Datenträgers geschehe.
Aus technischer Sicht ist hier zu keiner Zeit die Übergabe einer Sache erfolgt. Der Vorgang des
unmittelbaren Kopierens des Programms kann jedoch rechtlich nicht anders als die vorherige
Übergabe eines z.B. auf Diskette verkörperten Programms bewertet werden, denn sowohl der
bezweckte Erfolg als auch die von den Vertragspartnern letztendlich gewollten Verpflichtungen
sind identisch. Das OLG hat daher das Abzahlungsgesetz zu Recht - entsprechend - angewandt.
Da das Abzahlungsgesetz anwendbar war, B den A jedoch nicht über dessen Widerrufsrecht
belehrt hatte, konnte dieser den Vertrag unbegrenzt widerrufen. Infolge des Widerrufs
schuldete A dem B jedoch eine Überlassungsvergütung.
Es darf mit Spannung die Revisionsentscheidung des BGH erwartet werden, in der dieser
hoffentlich eindeutig die Frage der Sacheigenschaft von Computerprogrammen und damit der
unmittelbaren Anwendbarkeit entsprechender Vorschriften klärt.