DR. KÖNIG & COLL.

RECHTSANWÄLTE


Abhandlung zum EDV-Recht

Verpflichtung des Verkäufers zur Lieferung einer deutschsprachigen Bedienungsanleitung (Geliebtes Deutsch)

von RA Dr. M. Michael König

In der EDV-Branche wird weitverbreitet die Unsitte gepflegt, den Erwerbern von Hardware und Software keine oder nur ungenügende Bedienungs- und Gebrauchsanweisungen mitzuliefern. Der nachfolgende Beitrag zeigt, wie sich die hiervon betroffenen Anwender dagegen zur Wehr setzen können.

Vor den Benutzung des neu erworbenen Videorekorders gilt es, zuerst die nicht unbedingt schmächtige Bedienungsanleitung zu studieren und anhand dieser die Bedienung des Videorekorders zu erlernen. Gleiches ist beim Kauf einer Waschmaschine der Fall - insbesondere der leidgeprüfte Junggeselle ist über die regelmäßig ausführlichen Bedienungsanleitungen außerordentlich dankbar, versetzen sie ihn doch in die Lage, seine Hemden auch nach dem erstmaligen Waschen noch tragen zu können. Sogar dem Käufer einer simplen Kaffeemaschine wird recht ausführlich erläutert, wo er das Wasser einzufüllen hat, daß er vor Zugabe des Kaffees einen Papierfilter einsetzen sollte und daß sich zur Inbetriebnahme der Kaffeemaschine die Betätigung des An-/Aus-Schalters empfehle.
Anwender A hingegen, der nach intensivem Marktstudium stolz seinen preisgünstig erworbenen No-Name-PC nach Hause trägt, steht recht ratlos vor dem Innenleben seines zweitbesten Freundes, wenn er die zusätzlich erworbene Zusatzkarte XYZ einbauen will und hierzu an den DIP-Schaltern des Motherboards die Hardwarekonfiguration ändern muß. Vergebens sucht er das ihn möglicherweise erleuchtende Handbuch - sein Lieferant gab ihm nämlich keines mit.
Keineswegs besser ergeht es Benutzer B, der sich in einer ähnlichen Situation - er will das Extended-Memory seines 64-MB-Super-PCs für eine RAM-Disk nutzen - vergebens um das Verständnis der kryptischen Abkürzungen bemüht, aus denen die für einen technischen Laien unverständliche und in ein sagenhaft schlechtes Deutsch übersetzte Dokumentation des Rechners besteht.
Computerfan C, stolzer Besitzer eines technisch hervorragenden PCs südostasiatischer Herkunft, traut seinen Augen nicht, als er nach mechanischer und elektrischer Installation seiner ebenfalls exzellenten 72,35-MB-Festplatte das SETUP entsprechend einstellen will: 255 Festplattentypen kennt sein SETUP - bedauerlicherweise gibt aber weder das SETUP noch das als "Handbuch" titulierte und in der Verpackung des Rechners entdeckte Konglomerat fotokopierter DIN-A-4-Zettel auch nur irgendeinen Hinweis, welche technische Daten oder gar Festplattentypen sich hinter den Nummer 1 bis 255 des SETUPs verbergen. Nur am Rande sei angemerkt, daß seine Versuche, durch "trial and error" die richtige Einstellung zu finden, nicht ganz überraschend mit der irreparabelen Beschädigung der Festplatte endeten.
Dolmetscher D hat es insofern besser, als ihm der Lieferant seines Programms ein ausführliches, an sich verständliches und hilfreiches Handbuch mitgegeben hat. Sein Pech: Das Handbuch ist in einem mehr oder minder guten Englisch abgefaßt - er selbst spricht jedoch nur deutsch, französisch, italienisch, finnisch, portugiesisch und russisch.
E, F, G und H erleiden ähnliche Schicksale beim Erwerb von Computerprogrammen - zur sicheren Bedienung der Programme genügen die mehr oder minder knappen, oft auch in Englisch abgefaßten Hilfe-Texte (die oftmals noch nicht einmal über F1, sondern irgendeine andere, abstruse Tastenkombination abzurufen sind) bei weitem nicht - hinsichtlich einer schriftlichen Programm-Bedienungsanleitung befinden sie sich in den Situationen wie A, B, C und D.
Intelligenzler I schließlich macht es besser - er kauft bei einem rennomierten deutschen Lieferanten ausschließlich Markenartikel. Die Hochglanzseiten der hervorragend gebundenen Handbücher sind mit erfreulich großen Fonts bedruckt (I ist kurz- und weitsichtig), jedoch leider nicht allzu informativ. Um Rechner und Programme ordentlich bedienen und benutzen zu können muß I schließlich - wie A, B, C, D, E, F, G und H - in eine Buchhandlung gehen und einige der zahlreichen Erläuterungsbücher für Computer und Programme kaufen.

Diese neun Beispiele beschreiben typische Situationen, in die Computer- und Softwarekäufer geraten können. So mancher Leser wird sich ebenfalls in einer dieser oder einer ähnlichen Situation befunden haben oder befinden und in Unkenntnis der Rechtslage das Risiko eines Prozesses gegen den Lieferanten gescheut haben oder scheuen. Zwar läßt sich in Rechtsstreitigkeiten ein gewisses Restrisiko nie ausschließen - hier ist die Rechtslage jedoch durch ober- und höchstrichterliche Rechtsprechung soweit geklärt, daß einigermaßen verläßliche Auskünfte möglich sind.

Nehmen wir den einfachsten Fall - den Fall des A: Das Handbuch für den Rechner fehlt. Aus der Feststellung, daß über den Rechner ein ganz normaler Sachkaufvertrag (§ 433 BGB) geschlossen wurde, folgt der Gedanke, daß das Fehlen des Handbuches eine Teil-Nichterfüllung des Kaufvertrages darstellen könnte, wenn der Verkäufer zur Lieferung einer Bedienungsanleitung verpflichtet wäre. In diesem Fall könnte der Käufer von dem Vertrag zurücktreten oder von dem Lieferanten Schadensersatz wegen Nichterfüllung bzw. wegen Teil-Nichterfüllung verlangen (§ 326 BGB).
Die Pflicht des Verkäufers zur Lieferung einer Bedienungsanleitung ist mittlerweile außer Streit. Die Versuche mancher EDV-Hersteller, durch die Bezeichnung der Bedienungsanleitung als "Begleitmaterial" zu suggerieren, daß diese nicht wichtig sei und daher auch kein Anspruch auf diese bestünde, waren glücklicherweise erfolglos. Die Gerichte gehen, wie sich aus dem Folgenden ergibt, einhellig davon aus, daß der Verkäufer zu Lieferung einer Bedienungsanleitung verpflichtet ist. Unterschiedlich sind lediglich die Folgerungen, die aus deren Nichtlieferung gezogen werden.
Voraussetzung für die genannten Ansprüche wegen Teil-Nichterfüllung ist weiterhin, daß sich der Lieferant (teilweise) in Verzug befindet, also z.B. trotz Mahnung nach Fälligkeit nicht geliefert hat, und ihm der Käufer eine angemessene Frist zur Lieferung setzt, wobei diese Fristsetzung mit der Erklärung verbunden sein muß, daß er nach Fristablauf die Annahme der Leistung ablehne. Aber Vorsicht: Mit dieser Erklärung - im Juristendeutsch heißt sie "Fristsetzung mit Ablehnungsdrohung" - hat sich der Käufer gebunden. Er kann nach fruchtlosem Verstreichen dieser Frist nicht mehr Erfüllung der Leistung, also Lieferung, verlangen, sondern "nur" noch zwischen Rücktritt und Schadensersatz wählen. Sinnvollerweise verbindet man die Mahnung zum Inverzugsetzen zulässigerweise mit der Fristsetzung mit Ablehnungsdrohung. Eine derartige Aufforderung könnte lauten:

"Sehr geehrter Herr Lieferant,
ich fordere Sie auf, unverzüglich das Handbuch zu dem bei Ihnen gekauften Rechner XYZ zu liefern und setze Ihnen hierfür eine Frist bis zum .... Nach fruchtlosem Verstreichen dieser Frist werde ich die Annahme dieser Leistung - Lieferung des Handbuchs - verweigern und vom Vertrag zurücktreten oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen."

Diese Auffassung, also das Fehlen des Handbuchs zur Hardware stelle eine Teil-Nichterfüllung dar, vertreten das Oberlandesgericht Stuttgart[1] sowie das Amtsgericht Essen[2].
Wie so oft in der Juristerei, werden auch hier verschiedene Auffassungen vertreten. Die Gegenmeinung - Oberlandesgericht Düsseldorf[4][5], Oberlandesgericht Köln[6], Oberlandesgericht München[7] und neuerdings wohl auch der Bundesgerichtshof[8] - bewertet das Fehlen des Hardware-Handbuchs als einen Mangel der gesamten Kaufsache. Danach kann im ersten Fall der A von seinem Lieferanten entweder Herabsetzung des Kaufpreises um den Minderwert, der sich aus dem Fehlen der Bedienungsanleitung ergibt, (Minderung) oder aber Rückgängigmachung des ganzen Vertrages (Wandelung) verlangen (§ 462 BGB). Dies gilt nur dann nicht, wenn der Lieferant - wie häufig - in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen das Minderungs- und Wandelungsrecht des Käufers zugunsten eines zwei- oder dreifachen Nachbesserungs- bzw. Nachlieferungsrechts abbedungen hat. Die Geltendmachung dieser Gewährleistungsrechte ist wesentlich einfacher; es genügt ein Schreiben, in dem zum Ausdruck kommt, daß eben die Rückgängigmachung des Kaufvertrages (Wandelung) oder Zahlung eines bestimmten Minderungsbetrages (Minderung) verlangt wird. Sinnvollerweise wird man diese Forderungen zugleich mit dem Setzen einer bestimmten und mit einem Datum fixierten Frist verbinden, damit der Lieferant bei Schweigen oder Ablehnung (die aller Erfahrung zu erwarten ist) mit Ablauf dieser Frist in Verzug gerät und die durch die nachfolgende Beauftragung eines Rechtsanwalts entstehenden Kosten zu tragen hat.
Die sich nun aufdrängende Frage, welche der beiden Vorgehensweisen der geneigte Leser im Falle des Falles zu wählen hat, vermag ich leider nicht verbindlich zu beantworten. Zwar wird man sich als Anwalt grundsätzlich an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs orientieren. Bei nicht revisionsfähigen Angelegenheiten aber - und dies dürfte bei diesen Streitigkeiten die Regel sein - kann es vorteilhafter sein, sich an die Rechtsprechung des zuständigen Landgerichts oder Oberlandesgerichts zu halten. Zweckmäßigerweise holt man daher bereits im Vorfeld anwaltlichen Rat ein.

Im Falle des B sieht die Sache etwas anders aus. B erhielt eine Bedienungsanleitung, wenngleich dies auch vollständig unbrauchbar war. Zweifelhaft ist, ob man eine solche Bedienungsanleitung "schon" als mangelhaft oder "noch" als nicht vorhanden, also nicht geliefert, anzusehen hat. Je unverständlicher und weiter von dem entfernt, das man noch als eine Bedienungsanleitung bezeichnen möchte, destso eher wird man von deren Fehlen ausgehen. Es dürfte jedoch der sicherere Weg sein, einen Mangel der Bedienungsanleitung anzunehmen. Dies führt bei beiden Auffassungen zur Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen, also Minderung und Wandelung. Sowohl bei Inanspruchnahme des Minderungsrechts als auch bei Ausübung des Wandelungsrechts bleibt es gleich, welche Auffassung das angerufene bzw. zuständige Gericht zum Fehlen der Bedienungsanleitung vertritt. Der durch die Mangelhaftigkeit des der Bedienungsanleitung eingetretene Minderwert ist nämlich in jedem Fall identisch.
Hinsichtlich der Wandelung scheint zwar zunächst ein Unterschied zu bestehen, ob man das Fehlen der Bedienungsanleitung als eine Teil-Nichterfüllung oder als einen Mangel bewertet. Im Gegensatz zu der letztgenannten Meinung, die unmittelbar zur Wandelung des gesamten Vertrages gelangt, sehen sich nämlich die Vertreter der Auffassung, nach der das Fehlen der Bedienungsanleitung eine Teil-Nichterfüllung darstellt, mit der Vorschrift des § 469 BGB konfrontiert. Diese Bestimmung besagt, daß bei Mangelhaftigkeit nur einer von mehreren gekauften Sachen der Vertrag nur hinsichtlich der mangelhaften Sache gewandelt werden kann. Die Wandelung erfaßt jedoch dann den gesamten Vertrag, wenn alle Sachen als zusammengehörig verkauft werden und die mangelhafte Sache nicht ohne Nachteil von den übrigen Sachen getrennt werden kann. Man wird dies hinsichtlich der Bedienungsanleitung sicherlich bejahen können, ohne daß es erforderliche wäre, auf die rechtliche Problematik dieser Vorschrift im einzelnen einzugehen.
Rechtsprechung speziell zu dieser Konstellation ist zwar noch nicht veröffentlicht worden. Das Oberlandesgericht Hamm hat jedoch entschieden, daß bei einer mangelhaften Bedienungsanleitung zu einem Computerprogramm ein Mangel vorliegt[9], so daß der Anwender wandeln oder mindern kann.

Das Problem des C ist ähnlich gelagert. Bei ihm war die Bedienungsanleitung zweifellos als solche vorhanden. Sie war aber unvollständig, denn es fehlten die erforderlichen technischen Angaben zu den anschließbaren und einstellbaren Festplattentypen. Da im Ergebnis kein Unterschied zu der Unbrauchbarkeit der unverständlichen Bedienungsanleitung besteht, ist auch diese Bedienungsanleitung als mangelhaft zu bewerten; hinsichtlich der Gewährleistung gelten also die Ausführungen zum Fall des B. Auch für diese spezielle Konstellation ist noch keine Rechtsprechung veröffentlicht wurden. Hinsichtlich der unvollständigen Bedienungsanleitung zu einem Computerprogramm hat das Landgericht Essen aber ebenfalls das Vorliegen eines Mangels festgestellt[10].

D kann sich eigentlich nicht beschweren - er hat ein vorzügliches Handbuch erhalten, dessen einziger "Fehler" ist, daß es in englischer Sprache abgefaßt ist. Pech gehabt, möchte man da sagen - was lernt er auch finnisch oder russisch, wenn doch die EDV-Sprache weltweit englisch ist. Auch hier heißt es somit: Mangel oder nicht Mangel - das ist hier die Frage.
Die eben geäußerten Auffassung ("Was lernt er auch finnisch ...") scheint sich auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf stützen zu können, das nämlich festgestellt hat, daß eine gekaufte EDV-Anlage nicht schon deshalb als fehlerhaft angesehen werden könne, weil die zu ihm gehörenden Handbücher in englischer Sprache abgefaßt waren[3]. Dies wäre jedoch zu schnell geschossen - die Besonderheit des vom Landgericht Düsseldorf entschiedenen Falles war, daß es sich bei dem Käufer nicht um einen Laien, sondern um einen Computerfachmann handelte, der der englischen (Fach)Sprache somit mächtig war. Demgegenüber geht das Oberlandesgericht München[7] davon aus, daß selbstverständlich eine deutschsprachige Bedienungsanleitung mitzuliefern sei.

Soviel zur Hardware. Diese Probleme treten jedoch, wie die Fälle des E, F, G, H und I zeigen, auch bei dem Erwerb von Computerprogrammen auf. Daher liegt der Gedanke durchaus nahe, daß dabei die vorstehenden Ausführungen sinngemäß gelten. Ich möchte hier davon absehen, die rechtliche Qualifizierung des Software-Überlassungsvertrages noch einmal in aller Ausführlichkeit darzustellen. Wen dies interessiert, der mag dies an geeigneter Stelle nachlesen[11]. Zusammengefaßt gilt, daß mittlerweile auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der dauerhafte Erwerb von Computerprogrammen auf Grundlage eines Kaufvertrages (§ 433 BGB) erfolgt, auf den die Gewährleistungsvorschriften des Sachkaufs, also auch die Regeln über Minderung und Wandelung, zumindest entsprechend anzuwenden sind.

Im Fall des E besteht demzufolge ebenfalls Uneinigkeit, ob das Fehlen einer Bedienungsanleitung zu der Software nun eine Teil-Nichterfüllung oder einen Mangel darstellt. Für Teil-Nichterfüllung haben sich das Oberlandesgericht Saarbrücken[12], das Oberlandesgericht Stuttgart[13], das Landgericht Mannheim[14] und das Landgericht Baden-Baden[15] ausgesprochen. Demgegenüber bewerten das Oberlandesgericht Hamm[9], das Oberlandesgericht Karlsruhe[16], das Landgericht Essen[10], das Landgericht Flensburg[17] und das Landgericht Heidelberg[18] das Fehlen der Programm-Bedienungsanleitung und das Oberlandesgericht Frankfurt[4][5] sowie das Oberlandesgericht Köln[6] das Fehlen einer Bedienungsanleitung für das gesamte EDV-System als einen Mangel. Zwar hat sich der Bundesgerichtshof zu dem Fehlen des Programm-Handbuches bislang noch nicht geäußert; aus der Begründung des oben erwähnten Urteils zum Fehlen des Hardware-Handbuches[8] (hierzu unter mehr) kann jedoch mit einiger Sicherheit gefolgert werden, daß der Bundesgerichtshof das Fehlen eines Programm-Handbuchs nicht anders als das Fehlen eines Hardware-Handbuches behandeln und damit wohl als Mangel ansehen wird.

Bei der dem F überlassenen und völlig unbrauchbaren Bedienungsanleitung stellt sich ebenso wie bei B die schwierige Frage der Abgrenzung zwischen "noch" Teil-Nichterfüllung und "schon" Mangel. Da der Fall des F natürlich konstruiert ist und ein derart unbrauchbares "Handbuch" wohl nie in Wirklichkeit ausgeliefert werden wird, sollte man sich auf der sicheren Seite halten und in derartigen Fällen "nur" von einer mangelhaften Bedienungsanleitung ausgehen. In diesem Sinne hat auch das Oberlandesgericht Hamm entschieden und dem Anwender die Geltendmachung der Gewährleistungsrechte - Minderung oder Wandelung - zugestanden[9]. Unbeachtlich ist auch, ob ein anderes Gericht - anders als wohl das Oberlandesgericht Hamm - das Fehlen einer Bedienungsanleitung nicht als Mangel, sondern als Teil-Nichterfüllung ansieht. Wie ich oben bei der Behandlung des Falls des B eingehend dargestellt habe, führt die Unbrauchbarkeit der Bedienungsanleitung nämlich nach beiden von den Gerichten vertretenen Auffassungen zur Einschlägigkeit der Sachmängelgewährleistungsvorschriften; F kann also im Ergebnis des Kaufpreis mindern oder aber den Kaufvertrag wandeln.

G soll ein vergleichbares Problem haben wie C, nämliche eine unvollständige Bedienungsanleitung. Diese Unvollständigkeit könnte z.B. darin bestehen, daß keinerlei Angaben über die anschließbaren Drucker gemacht und auch keine Informationen darüber mitgeteilt wurden, welche Steuersequenzen die mitgelieferten Druckertreiber verwendeten. Auch ein unvollständiges Programm-Handbuch ist als ein Mangel anzusehen, der zur Minderung des Kaufpreises oder Wandelung des Kaufvertrages führt. Dies entspricht nicht nur der Rechtsprechung des Landgerichts Essen[10], sondern auch der des Landgerichts Flensburg[17]: Dieses Gericht hat festgestellt, daß das Handbuch auch die vertragsgemäßen Modifikationen eines Programms beschreiben müsse. Sind diese Modifikationen nicht beschrieben, so liegt ein Mangel der ganzen Kaufsache vor.

Zwar waren in der "Frühzeit" der Home- und Personalcomputer nahezu alle Programme fremd-, nämlich englischsprachig. Weder dies noch der Umstand, daß es nach wie vor einige Software-Hersteller oder -Händler gibt, die meinen, daß sich der Anwender nicht von dem Luxus eingedeutschter Programme verweichlichen lassen sollte (ich selbst ziehe jedoch bei z.B. PCTOOLS die englische Version immer der deutschsprachigen Ausgabe vor), rechtfertigt jedoch, dem Anwender nur ein englisch- oder sonstwie fremdsprachiges Handbuch in die Hand zu drücken. H kann also hoffen - er kann den Kaufpreis mindern oder diesen gegen Rückgabe des Programms zurückverlangen (Wandelung), wenn sein Lieferant auf sein Begehr nach einer deutschen Betriebsanleitung lediglich mit den Schultern zuckt. So entschieden für ein englischsprachiges Hardwarehandbuch - nämlich als Mangel der Anlage beurteilt - von dem Oberlandesgericht München[7]. Dies gilt für englischsprachige Software-Handbücher entsprechend. Auf das anderslautende Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf[3] kann sich ein Hersteller bzw. Lieferant jedoch nur stützen, wenn sein Kunde ein EDV-Fachmann ist, der die englische (Fach)Sprache regelmäßig beherrscht.
Wie wäre aber zu entscheiden, wenn die EDV-"Fachmann" das Englisch des Bedienungshandbuchs nachweislich nicht versteht? Ich meine, daß man diesen Menschen grundsätzlich nicht anders behandeln darf (und wird) als einen Laien. Sofern keine anderen Umstände hinzutreten, die eine gegenteilige Entscheidung rechtfertigen würden, hat auch der des Englischen nicht mächtige EDV-"Fachmann" einen Anspruch auf ein deutschsprachiges Handbuch.

Zum Schluß zu I: Seine Hard- und Software-Bedienungsanleitungen sind auf den ersten Blick weder nicht vorhanden, noch unbrauchbar, unvollständig oder gar in englischer Sprache abgefaßt. Im Gegenteil: Sie sehen schön aus und vermitteln den Eindruck, mit großer Sorgfalt hergestellt worden zu sein. I kann mit Ihnen nur nicht allzuviel anfangen, da sie sich in Allgemeinplätzen ergehen und neben so wichtigen Ratschlägen wie

"Vergewissern Sie sich, daß Ihr Datenverarbeitungsgerät eingeschaltet ist, bevor Sie mit Ihrer Arbeit beginnen ..."

wenig relevante Informationen enthalten. Dies ist weder in die Fallkategorie der A/E noch in die der D/H einzuordnen, denn zweifelsohne ist die Bedienungsanleitung als solche vorhanden und sogar in sehr gutem Deutsch abgefaßt. Andererseits sträuben sich schon die Haare, ein solches Handbuch als einwandfrei und nicht zu beanstanden zu bewerten. Ich sehe hier durchaus eine Nähe zu unbrauchbaren (Fall B/F) und unvollständigen (Fall C/G) Handbüchern. Die Handbücher des I sind insoweit unbrauchbar, als er allein mit ihrer Hilfe die Bedienung und insbesondere vollständige Ausnutzung der Hard- und Software nicht erlernt. Unvollständig sind die Handbücher deswegen, weil sie die Funktionen und Möglichkeiten der Hard- und Software nicht ausreichend beschreiben, damit I diese versteht und benutzen kann. Man kann den Zustand dieser Handbücher mit "unbrauchbar wegen qualitativer Unvollständigkeit" beschreiben. Auch dies führt zur Mangelhaftigkeit der Handbücher, wenn man sich die Begründung des Bundesgerichtshofs zur der Entscheidung vor Augen führt, daß das Fehlen eines Hardware- Handbuchs einen Mangel darstellt[8]:
Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, daß Handbücher, auch als Bedienungsanleitungen oder Dokumentationen bezeichnet, in Wort oder grafischer Darstellung eine Beschreibung des - technischen - Aufbaus der Anlage, ihrer Funktionen, gegebenenfalls der Möglichkeiten der Kombination mit anderen Geräten sowie ihrer Veränderung oder Ergänzung enthalten. Sie vermitteln die Summe aller Kenntnisse, die erforderlich sind, um die Anlage bedienungsfehlerfrei und zur Verwirklichung des mit ihrer Anschaffung vertraglich vorgesehenen Zwecks nutzen zu können. Nach Auffassung der Bundesrichter ergänzen und konservieren Bedienungsanleitungen schon vorhandenes Wissen des Benutzers über den Gebrauch der Anlage und verleihen der dem Lieferanten obliegenden Einweisung in die Gerätehandhabung (!) Dauer. Damit löst sich das verkörperte "Nutzungswissen" von der subjektiven Beziehung zum Lieferanten und wird gleichsam zu einem Teil der Anlage.
Gemessen an diesen - bei Berücksichtigung der Komplexität der heutigen Programme sicherlich nicht zu hohen - Anforderungen wird man nicht umhin kommen, Hochglanzbedienungsanleitungen wie im Fall des I als mangelhaft anzusehen, so daß auch I nach seiner Wahl und vorbehaltlich dies zugunsten eines Nachbesserungsrechts einschränkender Regelungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen den Kaufpreis mindern oder den Vertrag über die gesamte Anlage wandeln kann.

Abschließend bleibt noch die Frage zu klären, was gilt, wenn der Verkäufer des Käufer auf das Fehlen einer Bedienungsanleitung hinweist bzw. darauf, daß diese unvollständig, un- brauchbar unverständlich etc. ist. Hier ist zunächst zu unterscheiden, ob dieser Hinweis vor oder nach dem Abschluß der Kaufvertrages erfolgt.
Erfolgt der entsprechende Hinweis vor der entsprechenden Einigung, so gilt nach § 460 BGB, daß der Verkäufer nicht zur Gewährleistung verpflichtet ist, wenn der Käufer den Mangel der Kaufsache bei Vertragsschluß kennt. Im Ergebnis entsprechend sieht die Rechtslage aus, wenn man das Fehlen des Handbuchs als Nichterfüllung werten will: Bei einer kaufvertraglichen Einigung mit einem entsprechenden Hinweis des Verkäufers ist der Kaufvertrag eben nur mit diesem Inhalt zustandegekommen. Dies bedeutet, daß der Verkäufer nicht zur Lieferung einer oder einer brauchbaren Bedienungsanleitung verpflichtet ist.
Erfolgt der Hinweis des Verkäufers indessen erst nach Abschluß des Kaufvertrages, so kommt es auf die Reaktion des Käufers an. Grundsätzlich gilt nämlich, daß einseitig erklärte Vertragsänderung nach Vertragsschluß ohne Wirkung sind. Die erforderliche Zustimmung des anderen Vertragspartners kann jedoch auch stillschweigend ("konkludent") erklärt werden - unter Kaufleuten oder Personen, die in vergleichbarer Weise am Wirtschaftsleben teilnehmen, genügt unter bestimmten Umständen sogar das bloße Schweigen auf eine entsprechende Erklärung. Wenn also der Käufer die entsprechende Mitteilung des Verkäufers mit einem Grunzen quittiert, das der Verkäufer als Zustimmung interpretieren kann, so gilt der Vertrag als entsprechend geändert. Die gleiche Wirkung kann auch eine wegwerfende Handbewegung oder ein abfälliges Grinsen besitzen. Also: In einem solchen Fall empfiehlt es sich, seinem Mißfallen laut und deutlich durch eine unmißverständliche Ablehnung Ausdruck zu verleihen.

Zusammengefaßt gilt also, daß mittlerweile Einigkeit über die Pflicht des Verkäufers zur Lieferung einer grundsätzlich deutschsprachigen Bedienungsanleitung besteht. Unterschiedliche Auffassungen werden nur hinsichtlich der aus dem Fehlen einer Bedienungsanleitung resultierenden Folgerungen vertreten. Auch wenn sich der Bundesgerichtshof wohl für die Behandlung als Mangel ausgesprochen hat, muß damit gerechnet werden, daß die Land- und Oberlandesgerichte regional noch unterschiedlich urteilen. Ist die Bedienungsanleitung aber unverständlich, unvollständig, fremdsprachig oder aus sonstigen Gründen unbrauchbar, so kann der Anwender wegen dieses Mangels im Ergebnis hinsichtlich des gesamten Vertrages von seinen Gewährleistungsrechten (Minderung oder Wandelung) Gebrauch machen.
Aus anwaltlicher Sicht ist den Verkäufern von Hardware und Software also dringend zu raten, den oben dargestellten Anforderungen genügende und in deutscher Sprache abgefaßte Be- dienungsanleitungen mit den Geräten und Programmen auszuliefern, da sie andernfalls mit massiven Reklamationen seitens ihrer Kunden rechnen müssen. Den Käufern und Anwendern wiederum kann nur empfohlen werden, fehlende, unzureichende oder fremdsprachige Bedienungsanleitungen unverzüglich zu rügen und im Rahmen der jeweils vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen ihre Gewährleistungsansprüche geltend zu machen.

Literatur/Rechtsprechungsnachweise:

[1] Urteil des OLG Stuttgart vom 8.11.88, Aktenzeichen 6 U 31/88, nachzulesen in Computer und Recht 1989, S.810
[2] Urteil des AG Essen vom 26.10.1987, Aktenzeichen 12 C 285/87, nachzulesen in Computer und Recht 1988, S.310
[3] Urteil des OLG Düsseldorf vom 17.10.1985, Aktenzeichen 6 U 49/85, nachzulesen in Computer und Recht 1987, S.173
[4] Urteil des OLG Frankfurt vom 10.3.1987, Aktenzeichen 5 U 121/86, nachzulesen in Informatik und Recht 1988, S.24
[5] Urteil des OLG Frankfurt vom 22.1.1985, Aktenzeichen 5 U 86/84, nachzulesen in Computer und Recht 1986, S.270
[6] Urteil des OLG Köln vom 22.6.1987, Aktenzeichen 13 U 113/87, nachzulesen in Neue Juristische Wochenschrift 1988, S.2477
[7] Urteil des OLG München vom 10.7.1985 Aktenzeichen 7 U 1501/85, nachzulesen in Informatik und Recht 1986, S.113
[8] Urteil des Bundesgerichtshofs vom 5.7.1989, Aktenzeichen VIII ZR 334/88, nachzulesen in Neue Juristische Wochenschrift 1989, S.3222
[9] Urteil des OLG Hamm vom 8.3.1989, Aktenzeichen 31 U 12/88, nachzulesen in Computer und Recht 1989, S.1091
[10] Urteil des LG Essen vom 30.9.1987, Aktenzeichen 44 O 197/86, nachzulesen in Informatik und Recht 1988, S.389
[11] Dr. M.Michael König, Das Computerprogramm im Recht, 1991, Rdnr.663ff
[12] Urteil des OLG Saarbrücken vom 30.4.1986, Aktenzeichen 1 U 21/84, nachzulesen in Informatik und Recht 1988, S.29
[13] Urteil des OLG Stuttgart 1.10.1986, Aktenzeichen 4 U 187/85, nachzulesen in Informatik und Recht 1987, S.153
[14] Urteil des LG Mannheim 8.10.1984, Aktenzeichen 24 O 62/83, nachzulesen Betriebs-Berater 1985, S.144
[15] Urteil des LG Baden-Baden 12.8.1987, Aktenzeichen 1 O 127/87, nachzulesen in Computer und Recht 1988, S.308
[16] Urteil des OLG Karlsruhe vom 8.7.1988, Aktenzeichen 10 U 8/88, nachzulesen in Computer und Recht 1989, S.195
[17] Urteil des LG Flensburg vom 21.5.1986, Aktenzeichen 6 O 98/85, nachzulesen in Informatik und Recht 1986, S.463
[18] Urteil des LG Heidelberg vom 19.8.1987, Aktenzeichen O 139/85 KfH II, nachzulesen in Computer und Recht 1989, S.197

Dieser Beitrag ist in bearbeiteter Form in c´t 2/1992 S.54 erschienen. Er gibt die Rechtslage und Meinung des Verfassers zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung der weiteren Veröffentlichung.

Homepage | Kanzlei | Anwälte | Tätigkeitsfelder | Aktuell | Publikationen | Links

© 1996 by RA Dr. M. Michael König | Dr. König & Coll. | Kontakt

Revisit this page