DR. KÖNIG & COLL.

RECHTSANWÄLTE


Gerichtsreport: Neue Gerichtsentscheidungen zum EDV-Recht

Ein Anwender, dem der Dongle zu seiner Software gestohlen wurde, besitzt gegenüber dem Lieferanten keinen Anspruch auf entgeltliche Lieferung eines Ersatzdongle.

von RA Dr. M. Michael König

Ein Anwender hat für nahezu DM 40.000,- eine Software zur Metallbearbeitung erworben. Die Software war durch einen Dongle vor unberechtigter Benutzung geschützt. Durch einen Einbruch in die Firmenräume ging der Dongle verloren. Sie verlangte von dem Lieferanten die Lieferung eines Ersatzdongle zu angemessenen Konditionen. Der Lieferant lieh ihr jedoch nur vorübergehend einen Dongle und forderte sie auf, ein neues Exemplar der Software zu kaufen. Der Anwender begehrte den Erlaß einer einstweiligen Verfügung, um bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens mit dem Leihdongle arbeiten zu können.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Es sah das Risiko für den Verlust des Dongle allein auf Seiten des Anwenders, der nach Übergabe der Software und des Dongle und damit vollständiger Erfüllung des Kaufvertrags allein dafür zu sorgen habe, daß der Dongle nicht gestohlen werde.

Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 4.4.1995, Aktenzeichen 3-11 O 26/95

Kommentar:

Das - nicht rechtskräftige - Urteil ist strikt abzulehnen. Es trägt auch nicht nur ansatzweise dem Umstand Rechnung, daß der Dongle einzig und allein dem Hersteller der Software nutzt. Kein Anwender will den Dongle, der ihm nur Sorgen und Scherereien - wenn nicht gar erhebliche Probleme - bereitet. Er wird ihm von dem Hersteller, dem es dabei nur um seinen eigenen - wenn auch legitimen - Vorteil geht, aber aufgezwungen. Zwar lassen sich gute Gründe für diesen Schutz vor Mißbrauch finden; dies darf aber nicht zu Lasten des Anwenders gehen, der hiervon überhaupt keinen Vorteil hat [s. Dr. M.M.König, Das kleine Ärgernis c't 12/95 S.122ff]. Durch den Dongle wird gerade die wesenstypische ewige Benutzbarkeit der Software konterkariert, denn normalerweile ist der Anwender von einem Diebstahl der Hardware nicht so stark betroffen, daß er auch die sehr teure Software nicht mehr benutzen könnte. Er spielt die gerade für den Fall des Verlusts des Dongle hergestellte Sicherungskopie ein und arbeitet weiter - auch rechtlich unangefochten, denn auch dann, wenn man es als erforderlich ansehen sollte, daß er ein "Recht zur Benutzung" benötigen würde (was er zur bestimmungsgemäßen Anwendung aber nicht braucht), so wäre dies durch den Verlust der Arbeitskopie gerade nicht beeinträchtigt.

Das Landgericht übersieht ferner, daß schon seit dem Reichsgericht das Bestehen der sog. nachvertraglichen Treuepflicht - auch als Leistungstreuepflicht bezeichnet - anerkannt ist, also einer Verpflichtung, auch nach Erfüllung des Vertrags im Rahmen des Zumutbaren den Vertragszweck nicht zu gefährden. Zwar werden mit diesen nachvertraglichen Treuerpflichten üblicherweise nur Unterlassungen in Verbindung gebracht. Es ist aber anerkannt, daß z.B. eine Pflicht des Verkäufers zur Lieferung von Ersatzteilen für Verschleißteile besteht. Auch ist der Lieferant verpflichtet, mit jedem Kunden zu angemessenen Bedingungen einen Pflegevertrag abzuschließen, sofern die Software noch vertrieben bzw. gepflegt wird. Insbesondere bezüglich Dongle muß dies gelten, denn der aufoktroyierte Dongle ist der Bestandteil der Software, der außer Funktion gesetzt werden kann - da die Software typischerweise ewig haltbar und funktionsfähig ist, wiegt dies besonders schwer.

Ein anderes Beispiel illustriert die Richtigkeit der geübten Kritik: Kein Gericht käme auf die Idee, einem Autofahrer einen Ersatzlieferungsanspruch gegen den Händler bzw. Lieferanten zu versagen, wenn ihm der Schlüssel für die elektronische Wegfahrsperre abhanden kommt - obwohl gerade hier die Wegfahrsperre primär dem Autofahrer (=Anwender) nutzt und der Hersteller nur einen gewissen Extragewinn einfährt.

Man beachte: Hier geht es nicht um die Forderung, den Ersatz kostenlos zu bekommen; der Anwender war ja zu einer angemessenen Zahlung bereit. Im Gegensatz zu der Wegfahrsperre bin ich aber hinsichtlich Dongle der Auffassung, daß diese bei jedem Verlust wie auch jedem Versagen völlig kostenlos nachzuliefern sind, denn sie werden dem Anwender aufoktroyiert und nutzen nur dem Hersteller. Man kann auch behaupten, daß der Vorteil des Anwenders in billiger Software liegen würde, denn bekanntlich ist gerade die sehr hochpreisige Software mit Dongle versehen - und gerade die billigste Software - Freeware, Public Domain und Shareware - kann frei kopiert werden.

Abschließend bleibt noch der Hinweis auf den eklatanten Widerspruch dieser Entscheidung zu den anderen Dongle- Entscheidungen, in denen das Ersetzen oder Umgehen von Dongle gerade mit dem Hinweis auf die angebliche Liefermöglichkeit und -bereitschaft der Hersteller bezüglich Ersatzdongle verboten wird. Der Anwender ist also insofern völlig rechtlos. Geschieht ihm recht, könnte man sagen - warum kauft er auch Software mit Dongle.

Dieser Beitrag ist in bearbeiteter Form in c´t 5/1996 S.130 erschienen. Er gibt die Rechtslage und Meinung des Verfassers zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung der weiteren Veröffentlichung.

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